Es gibt viele Branchen und Bereiche, die regelmäßigen Veränderungen unterliegen, in denen sogenannte Trends immer wieder für eine Neuausrichtung sorgen. Gilt das auch für den Bereich der Fotografie? Sind auch hier Trends vorherrschend, an denen sich immer wieder orientiert werden muss? Dieser Frage wollten wir auf den Grund gehen und haben die beiden Foto-Experten der PAC, Jörg und Stefan, nach ihren Meinungen gefragt. Heraus kam ein ziemlich spannendes Interview – lesen Sie selbst:
Prinzipiell besteht die Fotografie aus vielen Bereichen. Ob Produkt-, Landschafts-, Portrait- oder Sportfotografie, die verschiedenen Bereiche müssen separat betrachtet werden. Da Jörg Experte in der Produkt- und Stefan in der Peoplefotografie ist, beziehen sich die folgenden Einschätzungen auf diese beiden Bereiche.
In der Produktfotografie kann man beispielsweise deutlich weiter differenzieren als in anderen Bereichen. Wird ein Produkt lediglich zur Veranschaulichung fotografiert, spielen Trends eine eher kleine Rolle. Findet hingegen eine Produktinszenierung für eine Titelseite statt, wird auf Trends geachtet, die das Produkt zeitgemäß in Szene setzen. Mittlerweile wird in der Produktfotografie auch viel mit der 3D-Technik gearbeitet, sodass Bilder auch am Computer entstehen.
Im People- und Portraitbereich sieht das allerdings anders aus. Hier braucht es nach wie vor einen Fotografen, der mit den Menschen und Modellen arbeitet, der diese versteht, auf sie eingehen und ihnen ein positives Gefühl geben kann. Im Peoplebereich gibt es durchaus Trends und es werden immer wieder verschiedene Looks angewendet. In den letzten Jahren ist beispielsweise der Wunsch nach Diversität und Authentizität gestiegen. Ob natürliches Licht, eine echte Sonne, wenig Blitz oder eine Mischung der Geschlechter und Ethnien, der Trend geht dahin, die Fotomodelle möglichst ohne Überinszenierung zu fotografieren.
Wichtig hierbei ist dennoch, immer die Zielgruppe und den Kunden zu kennen, diese zu beraten und den Stil individuell anzupassen: Es passt nicht immer ein klassischer, aber auch nicht immer ein moderner Look. Die Aufgabe des Fotografen ist es an erster Stelle, den Wunsch des Kunden bestmöglich zu erfüllen. Dennoch sollten immer auch Alternativen und Vorschläge angeboten werden – Trends sind nicht grundsätzlich passend oder die erste Wahl.
Grundsätzlich muss die Fotografie immer schneller wahrnehmbarer sein. Es gibt fast jedes Jahr einen Trend, der erkennbar ist. Mal sind es knallige und grelle Farben, die angesagt sind, mal soll alles matt, mal das Licht hart oder weich sein. Aber viele dieser Trends sind relativ kurzlebig und kommen eher wellenartig: mal schwimmt man mit, mal nicht. Heutzutage gibt es wenige Trends, die noch nie zuvor dagewesen sind. Viele gab es bereits vor einiger Zeit und sie kommen in Abständen wieder. Insbesondere jüngere Generationen wollen häufig Looks und Styles simulieren, die schon einmal existiert haben, dabei allerdings auf die aktuellen Möglichkeiten zurückgreifen. Eine Ausnahme stellen technische Funktionen und Gimmicks dar. Bei diesen gibt es immer wieder Weiterentwicklungen und Neuheiten.
In der Industriefotografie ist beispielsweise seit Jahren ein kleiner Schärfebereich gesetzt, was bedeutet, dass beispielsweise Schärfe im Vordergrund und Unschärfe im Hintergrund gewünscht ist. In anderen Bereichen wiederum geht der Trend zur Akkublitzfotografie, um mobil und schnell einsetzbar zu sein. Für wieder andere Bereiche ist das nicht vorteilhaft, weil ein Akkublitz deutlich weniger Leistung als ein kabelgebundener Blitz hat und keine ganzheitliche Schärfe des Bildes erreicht werden kann.
In den 1950/60er Jahren gab es einige Fotografen, die für den Fotobereich Neues und Besonderes geschaffen und diesen nachhaltig mit eigenen Stilen geprägt haben (zum Beispiel in der Modefotografie Franz Christian Gundlach und den häufig genannten Charles Paul Wilp). Auch heutzutage lassen sich einige von Fotografen-Ikonen wie beispielsweise Helmut Newton oder Anni Leibovitz inspirieren. Es gibt zweifellos auch einige Trends darunter, aber die haben nicht mehr die Größe und die Besonderheit wie in früheren Zeiten.
Erfahrung ist extrem wichtig und unterscheidet in erster Linie den Profi- vom Amateur- oder Hobbyfotografen, die heutzutage durchaus in der Lage sind, tolle Fotos zu machen. Trotzdem hat der professionelle Fotograf die Fähigkeit, unter allen Bedingungen ein gutes Foto machen und sich immer den Umgebungen, Sets usw. anpassen zu können. Um auf alle Situationen flexibel reagieren und alle Herausforderungen erfolgreich meistern zu können, greift man auf Erfahrung und Routine zurück. Zusätzlich zur Erfahrung ist der Austausch zwischen Generationen wichtig und sehr hilfreich, um immer am Ball zu bleiben.
Für Kunden und auch für den Profi-Fotografen selbst bringt die Kombination aus Erfahrung (alte Schule) und dem Verfolgen aktueller Trends (neue Ansätze) immer einen beachtlichen Mehrwert.
Ein großer Meilenstein und ein echtes Highlight war die Einführung der digitalen Fotografie. Vor der Digitalisierung war es für einen Fotografen notwendig, sich eine bestimmte Kamera und die dazugehörige Ausrüstung anzuschaffen, wofür es kaum Upgrades oder Erweiterungen gab. Da sehen die Möglichkeiten heutzutage ganz anders aus. Diese Umstellung miterlebt zu haben, dabei auch die analoge Fotografie noch zu kennen und zu beherrschen, ist etwas Besonderes. Der nächste Meilenstein wird vermutlich die Weiterentwicklung der Digitalisierung mit Cloud und Online-Systemen sein. Wodurch beispielsweise ein abwesender Kunde während des Fotoshootings live Einblicke in die geschossenen Fotos bekommen kann. Aber rückblickend DAS Highlight oder DEN besonderen Moment zu nennen, ist kaum möglich, denn alle Fotoerlebnisse waren auf ihre Art und Weise bedeutungsvoll. Manche waren emotionaler oder aufregender als andere, aber alle waren einzigartig.
Ganz klar die Vielfältigkeit und Abwechslung, die der Beruf und die Fotografie mit sich bringen. Was nicht bedeutet, dass jeder Tag eine Überraschung bereithält, aber man steht immer vor neuen Herausforderungen und Aufgaben. Dadurch wird es nie langweilig, sondern bleibt immer spannend. Die Motive, die wir fotografieren durften, reichen von der Kanüle bis zur Lokomotive, von Nelson Müller bis Angela Merkel und von einer Operation im Krankenhaus bis zu Bioschweinen im Stall. Man sammelt Erfahrungen, die man nur durch den Beruf erleben kann, und verbringt Zeit mit vielen anderen Menschen, arbeitet, diskutiert und genießt miteinander. Man lernt, verschiedene Sprachen zu sprechen und erlangt die Fähigkeit, mit allen Beteiligten auf eine Wellenlänge zu kommen und sie zu verstehen. Denn das Ziel eines Kreativen sollte sein, ein Foto mit Jemandem und nicht von Jemandem zu machen. Als Fotograf ist es einem möglich, an Orte zu gelangen, die anderen immer verwehrt bleiben, und es öffnen sich einem Türen, die für viele Menschen immer verschlossen bleiben. Wichtige Elemente des Jobs sind es, sich mit dem Produkt bzw. dem Modell auseinanderzusetzen, diese zu respektieren und bei jedem Kunden und Projekt dieselbe Leidenschaft an den Tag zu legen und diese nie zu verlieren.
O-Ton Jörg: „Ohne Leidenschaft keine Genialität“.